Die Kulturgeschichte der Tuberkulose

Jedes Zeitalter hat seine Krankheit. Aber keine Krankheit prägte das 19. und frühen 20. Jahrhundert so sehr wie die Tuberkulose, damals bekannt als Schwindsucht. Mit aller Macht hat sie den Menschen über Jahrhunderte die Kräfte geraubt, den Gesellschaften ihren Stempel aufgedrückt und sie gezwungen, gegen sie und mit ihr zu leben – und sich ein Bild von ihr zu machen. Und so ist sie auch die Krankheit der vielen Deutungen, sich wandelnden Vorstellungen und Metaphern. Die an ihr Leidenden wurden verklärt, später verachtet, schließlich verfolgt. Wie keine andere Krankheit hat die Tuberkulose von der Romantik bis zur Modernen einen starken Nachhall in Kunst und Literatur gefunden.

Alexander Bosse wird in seinem Vortrag weniger über die medizinischen pathologischen Gegebenheiten berichten, sondern eher an Hand der Tuberkulose einen besonderen Blick auf die deutsche Gesellschaftsgeschichte werfen. Er fokussiert wie die Schwindsucht zunächst als schicksalshafte Krankheit der Genies, der Künstler und der Boheme verklärt wurde. Er beschreibt die neu geschaffene Welt der Sanatorien und ihrem Niedergang bedingt durch die Fortschritte der Medizin. Ebenso wird die Bedeutung der TBC während der frühen Industrialisierung aufgezeigt. Bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts war die Schwindsucht unheilbar, und ihre Diagnose bedeutete ein fast sicheres Todesurteil. 1882 entdeckte Robert Koch den Erreger der TBC und erst nach dem zweiten Weltkrieg führte die Entwicklung eines Medikamentes durch Gerhard Domagk zu einem dramatischen Rückgang diese Infektionskrankheit, die schon in den Mumien des alten Ägyptens nachgewiesen wurde.